Weitere Fragen zur EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern

13. April, 2021

WhistleB arbeitet mit Anwaltskanzleien und anderen Unternehmen zusammen, um Kundinnen und Kunden dabei zu unterstützen, mit den Fragen zur EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern und deren rechtlichen Auswirkungen in der Praxis umzugehen. Da es eines unserer Ziele ist, es Unternehmen so einfach wie möglich zu machen, die neuen Gesetze zu erfüllen, haben wir zusammen mit unseren Partnerunternehmen im Rechtsbereich Webinare veranstaltet. Die Teilnehmenden stellten sowohl rechtliche als auch praxisorientierte Fragen, die wir hier zusammengetragen haben. 

In diesem Artikel haben wir die Antworten zu den Fragen zusammengefasst, die wir während des Webinars mit der schwedischen Anwaltskanzlei Advokatfirman Delphi erhalten haben. Auch wenn sich einige der Antworten in diesem Fall natürlich auf den schwedischen Markt konzentrieren, können diese dennoch für Unternehmen in anderen Ländern nützlich sein. Rebecka Thörn, eine Partnerin bei Delphi, gab rechtliche Einblicke, und Karin Henriksson, eine der Geschäftsführerinnen von WhistleB, teilte ihr praxisorientiertes Wissen in den Antworten zu diesen Fragen zur EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern.


Fragen, die sich auf die Unabhängigkeit oder den Charakter der Person beziehen, die den Bericht erhält.

Fragen: Was bedeutet es, dass die Person, die die Meldung untersucht, unabhängig sein sollte? Muss es jemand sein, der nicht im Unternehmen arbeitet? Kann eine Person, die in der Organisation oder dem Unternehmen arbeitet, wirklich als unparteiisch angesehen werden?

Es muss keine externe Person sein, die nicht für die Organisation arbeitet. Laut dem (in Schweden) vorgeschlagenen Gesetz muss die Person „unabhängig“ sein, sie darf allerdings in der Organisation arbeiten. Die ausgewählte Person sollte in einer Position sein, in der sie ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Autonomie hat, vor allem gegenüber Führungskräften. Man kann sich das so vorstellen, dass diese Position ähnlich wie die von Datenschutzbeauftragten ist, und die Person muss keine Arbeitskräfte einstellen oder entlassen können. Whistleblowing-Meldungen werden in der Regel von einer Person oder einem Team empfangen, in dem folgende Abteilungen vertreten sind: Recht, Compliance, Personal oder Finanzen.

Einige Organisationen entscheiden sich letztendlich dafür, die Meldungen an vertrauenswürdige Drittanbieter übermitteln zu lassen, die diese dann auch weiterbearbeiten.  


Fragen zur Rückmeldung bei anonymen Whistleblowern.

Frage: Wie können wir anonymen Whistleblowern in der Praxis Rückmeldung geben? Wird das über einen offenen Kanal gemacht oder wendet man sich direkt an die Person? Wenn man sich direkt bei der Person meldet, wie kann man diese erreichen, wenn die Meldung anonym gesendet wurde?

Die Richtlinie sieht vor, dass die Person, die eine Meldung übermittelt (der Whistleblower), eine angemessene Rückmeldung erhalten sollte, was bedeutet, dass der Arbeitgeber auf irgendeinem Weg und innerhalb einer bestimmten Zeit antworten sollte.  Wie dies in der Praxis geschieht, hängt davon ab, welche Art von Whistleblowing-Kanal die Organisation nutzt. Das System von WhistleB ermöglicht es den Empfängern beispielsweise, einer hinweisgebenden Person Rückmeldung zu geben und bei Bedarf Fragen zu stellen. Um die Rückmeldung zu sehen, muss sich die Person allerdings erneut im Meldekanal (immer noch anonym) anmelden.

Falls eine Meldung anonym per E-Mail eingegangen ist, sollte die Rückmeldung zum Beispiel natürlich an die E-Mail-Adresse gesendet werden, die die hinweisgebende Person genutzt hat. Es ist jedoch nicht erforderlich, einer Person, die sich anonym gemeldet hat, eine Rückmeldung zu geben, wenn es nicht möglich ist, die Person zu kontaktieren. 

Frage: Wie kann ein Fall rechtssicher untersucht werden, wenn der Whistleblower anonym ist?

Die Untersuchung (zum vorgeschlagenen Gesetz) in Schweden hat gezeigt, dass eine Reihe von Maßnahmen getroffen werden sollten, um die Rechtssicherheit zu gewährleisten. Dies schließt Anforderungen an die Weiterverfolgung von Angelegenheiten ein, die über Meldekanäle übermittelt wurden. Diese Weiterverfolgung soll ebenfalls von unabhängigen und unparteiischen Personen durchgeführt werden, was für eine größere Rechtssicherheit sorgen soll. Jede Person, die vorsätzlich zu Unrecht beschuldigt wird, kann bei der Polizei Anzeige erstatten, zum Beispiel wenn sie der Meinung ist, dass sie Opfer einer Verleumdung geworden ist.   


Fragen zur externen Berichterstattung.

Frage: Können Sie genauer auf die externe Berichterstattung eingehen? Ist es möglich, dass mehrere Behörden/Kommunen ein gemeinsames externes Ermittlungsteam beauftragen und einsetzen?

Ja, soweit wir wissen, können in Schweden die Kommunen / Behörden vor Ort in diesem Bereich zusammenarbeiten. 

Frage: An welche externen Stellen können sich Whistleblowerinnen und Whistleblower wenden? 

In der Richtlinie wird gefordert, dass die Unternehmen Informationen zu den externen Meldekanälen bereitstellen, die verfügbar sind. In den meisten Ländern wurden jedoch noch nicht die zuständigen Behörden bekannt gegeben, die diese Aufgabe in Zukunft übernehmen werden. Der aktuelle Vorschlag in Schweden ist, dass etwa zehn Regierungsbehörden externe Meldekanäle einrichten sollen, darunter das schwedische Zentralamt für Finanzwesen und die zuständige Behörde für Wirtschaftskriminalität. Sobald das neue Gesetz in Kraft getreten ist, wird uns auch bekannt sein, welche Behörden ebenfalls dazu verpflichtet sein werden, solche Kanäle bereitzustellen.


Fragen zu den Arten von Rechtsverstößen/Fehlverhalten, die gemeldet werden können.

Frage: Können nur Verstöße gegen bestimmte Arten von Gesetzen gemeldet werden, oder ist es auch möglich, Verstöße gegen unternehmensinterne Richtlinien usw. zu melden?

Die EU-Whistleblower-Richtlinie schützt hinweisgebende Personen, die bei Verstößen gegen EU-Recht Alarm schlagen. Jeder EU-Mitgliedsstaat wird zudem weitere Bereiche festlegen, in denen Hinweisgebenden Schutz gewährt wird. In Schweden schützt das vorgeschlagene nationale Gesetz auch die Personen, die Verstöße gegen schwedisches Recht melden und Informationen über Fehlverhalten liefern, die zwar keinen Gesetzesverstoß darstellen, aber es im Interesse der Öffentlichkeit ist, dass die Angelegenheit bekannt wird. Verstöße gegen interne Richtlinien können unter die zuletzt genannte Kategorie fallen, jedoch müsste dies von Fall zu Fall beurteilt werden.

Frage: Kann eine Organisation die Arten von Fehlverhalten einschränken, die gemeldet werden können? Wenn beispielsweise Mobbing gemeldet wird, kann dies dann ignoriert werden, wenn es eigentlich im Rahmen eines normalen Beschwerdeverfahrens gemeldet werden sollte?

Der Grundgedanke der Richtlinie ist, dass die Hinweisgebenden durch die neuen Gesetze geschützt werden, wenn es um Verstöße gegen EU-Gesetze, nationale Gesetze und schwerwiegendes Fehlverhalten geht. Wenn die Meldung keine Informationen enthält, die diese spezifischen Bereiche betreffen, gilt sie rechtlich nicht als Whistleblowing-Fall und sollte nicht im Rahmen des Whistleblowing-Systems weiterbearbeitet werden. In diesen Fällen ist die optimale Vorgehensweise, dass die Person, die die Meldung gesendet hat, benachrichtigt und an die dafür zuständige Stelle oder Person verwiesen wird, beispielsweise die Personalabteilung oder, je nach Situation, eine andere zuständige Abteilung.

Frage: Sollen Meldungen, die Zwischenfälle und Unfälle betreffen, über das Whistleblowing-System übermittelt werden, oder sollen diese in einem separaten Meldesystem gemanagt werden?

Nein, Meldungen dieser Art sollen nicht in Whistleblower-Systemen bearbeitet werden, sondern entsprechend der derzeit geltenden Verfahrensweisen, die zum Beispiel das Ausfüllen eines Beschwerdeformulars bei der nationalen Behörde für Arbeit erfordern könnten.


Fragen zu Auswirkungen auf andere Gesetze.

Frage: Werden die Einschränkungen, die derzeit im Rahmen der Datenschutzgesetze bestehen, auch im Rahmen der neuen Gesetze zum Schutz von Whistleblowern gelten?

Einschränkungen und Vorschriften zum Umgang mit personenbezogenen Daten werden weiterhin angewendet, ebenso wie andere Datenschutzgesetze.

Frage: Wie können Regierungsbehörden und andere öffentliche Organisationen die Anonymität des Whistleblowers sicherstellen oder dafür sorgen, dass Untersuchungen und Meldungen vertraulich bleiben, sobald ein abgeschlossener Fall öffentlich bekannt wird? Gilt für solche Informationen nicht der Grundsatz des öffentlichen Zugangs zu amtlichen Dokumenten?

In Schweden sind bereits wichtige Änderungen der Gesetzgebung zur Geheimhaltung und zum öffentlichen Zugang zu Informationen vorgeschlagen worden. Es wurde beispielsweise dazu geraten, dass Hinweisgebende durch absolute Vertraulichkeit geschützt werden sollen und Informationen, die Aufschluss über die Identität der hinweisgebenden Person geben können, nicht weitergegeben werden dürfen.

Frage: Wird es Änderungen beim bestehenden Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen geben?

Das derzeitige Verbot von Vergeltungsmaßnahmen ist im schwedischen Gesetz (2016:749) verankert und befasst sich im Speziellen damit, dass Beschäftigte, die schwerwiegende Fehlverhalten melden, vor Vergeltungsmaßnahmen geschützt werden. Es wurde vorgeschlagen, dass dieses Verbot auch bei dem neuen Whistleblower-Gesetz Anwendung finden soll. Aus diesem Grund werden keine wesentlichen Änderungen erwartet.

Falls Sie weitere Fragen zur EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern haben, können Sie uns gerne kontaktieren oder unsere Website besuchen.

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